Blogpost Leo Flemisch

Updates aus der Sammlung

Im Oktober 2021 wurde Leo Flemisch bei der Schmitz-Lippert-Stiftung eingestellt, um ein Konzept für die Katalogisierung der umfangreichen Comicsammlung zu erarbeiten. Nun, knapp vier Monate später, neigt sich Leos Zeit im CCH vorerst dem Ende entgegen. In diesem Blogbeitrag schildert er seine Erfahrungen.

Kürzlich hatte ich wieder die Gelegenheit, die Tim Burton Verfilmung von Charlie und die Schokoladenfabrik zu sehen. Es ist ein wunderbar seltsamer und zugleich magischer Film, der es schafft, ein Gefühl kindlichen Staunens zu transportieren. Eine meiner Lieblingsszenen ist die, in der Charlie zusammen mit seinem Großvater zum ersten Mal das innere der Fabrik des mysteriösen Willy Wonka betritt. Das graue und geheimnisvolle Gebäude ist von innen überraschend groß und beherbergt eine fantastisch bunte Welt mit allerlei seltsamen Räumen und Maschinen. 

So komisch das vielleicht klingen mag: ich kann mich neuerdings ganz gut in Charlie hineinfühlen. Auch ich hatte kürzlich einen ‚Willi-Wonka-Moment‘, nämlich, als ich zum ersten Mal die Sammlung des Cöln Comic Hauses betrat. Wer könnte ahnen, dass in inmitten der Kölner Südstadt, ein paar Meter entfernt vom geschäftigen Treiben der Bonner Straße, eine so umfangreiche Sammlung US-amerikanischer Comicbücher schlummert? Es war für mich ein fast surrealer Moment, zum ersten vor Ort zu sein inmitten der bis zur Decke gefüllten Regale. Als mich die Geschäftsführerin der Schmitz-Lippert-Stiftung, Susanne Flimm, zum ersten Mal durch die Räumlichkeiten führte, bemerkte sie schmunzelnd, dass sich bestimmte Menschen hier mit Vergnügen einsperren lassen würden, um in Ruhe zu lesen. Ohne Zweifel gehöre auch ich zu dieser Kategorie.

Doch ich bin nicht primär zum Lesen hergekommen.
Auch wenn ich an dieser Stelle gestehe, dass ich es mir mehr als einmal am Ende des Arbeitstages in einer Ecke gemütlich gemacht habe, um zu schmökern, zum Beispiel ein paar Seiten des Horror-Comics The Swamp Thing.
Nein, meine Aufgabe war es, den Grundstein zu legen für die Katalogisierung der Sammlung. Sammlung, das bedeutet in diesem Zusammenhang mehr als circa 30.000 Hardcover und Paperback Ausgaben US-Amerikanischer Comics, vor allem von den Verlagen Marvel und DC. Wie geht man am besten vor, um eine Übersicht über so viele Bücher zu bekommen? Es musste ein Konzept her, am besten ein digitales, mit dem man Zeit und Ressourcen spart. Die Wahl fiel auf ein cloudbasiertes Computerprogramm, mit dem man anhand der Barcodes der Bücher die wichtigsten Informationen erfassen kann. Auf diese Weise nahm ich die Comics stapelweise aus dem Regal und arbeitete mich im Winter von „Z“ wie Zatanna: Mistress of Magic zu „B“ wie Batman: The Dark Knight vor. 

Das klingt monoton? An manchen Tagen war es das vielleicht. Doch stets erweckte eines der Bücher aus dem Regal meine Neugierde. Vielleicht aufgrund des Umstands, dass ich meine Masterarbeit über Comics schrieb, ist die Sammlung des CCH für mich eine physische Manifestation der Geschichte der Kunstform. Zu meinen liebsten Fundstücken zählt die Reihe Archie Comics aus den 1940’er Jahren, die auf erstaunlich frische Weise eine Geschichte über den Teenager und Tunichtgut Archie sowie seine Freunde erzählt. Wer hätte gedacht, dass es schon damals eine derart erfolgreiche Comicreihe über Teenager gab? Ebenso in ihren Bann schlugen mich die gesammelten Ausgaben von The Spirit des großen Comickünstlers Will Eisner. Diese, ursprünglich als Zeitungsstrip veröffentlichte, Reihe spielte mit den Konventionen der Kriminal- und Detektivgeschichte und experimentierte dabei mit verschiedenen Möglichkeiten der Kunstform. Ihr Schöpfer Will Eisner schuf in späteren Jahren in sich geschlossene Geschichten wie A Contract With God, zu deren Vermarktung er den Begriff der Graphic Novel prägte.

Für mich liegt der große Reichtum der Sammlung des CCH genau hierin: dass sie die Entwicklung und die Bandbreite US-amerikanischer Comics zugänglich, ja wortwörtlich greifbar macht. Ich wünsche mir, dass die Arbeit der Erfassung auch nach meinem Weggang fortgesetzt wird und noch viele weitere Besucher:innen von der Magie dieses Raumes profitieren können. Es ist traurig, Willy Wonkas Fabrik zu verlassen, aber ich bin sicher, dass es nicht mein letzter Besuch war.